Pfennig Bau
HOLZBAU – die neue quadriga- 01/2018

Materialmix ermöglicht Holzbauteile in Gebäudeklasse 5

Mehrfamilien-Passivhaus in ökologischer Hybridweise schließt Baulücke in Leipzig

Inmitten des pulsierenden Stadtteils Südvorstadt im Herzen Leipzigs entstand ein Effi zienzhaus 40 als Mehrfamilienhaus mit 5 Nutzungseinheiten in Mischbauweise. Die ursprüngliche Planung basierte auf einem reinen Holzbau-Passivhauskonzept. Aus Kostengründen, die hauptsächlich auf den hohen Brandschutzanforderungen für einen reinen Holzbau resultierten, entschied sich der Bauherr daher für eine Mischkonstruktion aus Stahlbetondecken, die auf Stahlbetonstützen und den Giebel-Brandwänden aus Kalksandstein lagern sowie einer thermischen Hülle aus nichttragenden, eingestellten Holzrahmenbauelementen, die mit Zellulose-Einblasdämmung und Putzträgern aus Holzfaserplatten gedämmt wurden. Der Aufzug, der Brandschutz samt Durchdringungen und der Schallschutz der Wohnungstrenndecken konnten so kostengünstiger erstellt werden.
Das Gebäude entspricht nach der sächsischen Bauordnung der Gebäudeklasse 5. Wichtig waren dem Bauherrn ein niedriger Energieverbrauch, der Verzicht auf Brennertechnik beim Heizsystem sowie der Einsatz ökologischer Baustoffe und die Integration regenerativer Energiegewinnung. So produzieren thermische Solaranlage und PV-Module jeweils einen Teil des Wärme- und Strombedarfs.


Das Baukonzept für die Lücke.
Fünf Vollgeschosse und ein ausgebautes Dachgeschoss bieten Platz für fünf Familien- Etagenwohnungen (je 135 m² Wohnfläche) sowie Platz für Abstellräume, Haustechnik, Durchfahrt und Parkplätze im Erdgeschoss. Auf der südorientierten Straßenseite sorgen die bodentiefen Fenster und auch in den unteren Geschossen für eine großzügige Belichtung. Damit es im Sommer nicht des Guten zu viel wird, erhielten diese Fenster einen außen liegenden Sonnenschutz mit motorbetriebenen Raffstoren. Die gegenüberliegende nördliche Hofseite weist eine eher zurückhaltende Befensterung auf. Aber auch hier bietet eine vorgestellte Balkonanlage den Bewohnern einen Außenraum mit Nutzung der sommerlichen Vormittagsund Nachmittagssonne. Alle Geschosse profitieren von dieser Stahl/Holzkonstruktion. Sämtliche Balkone und Dachterrassenflächen erhielten einen Belag aus Holzdielen mit einer für den Außenbereich geeigneten Holzart (Lärche). In der Durchfahrt und im Hof befinden sich überdachte PKW und Fahrradstellplätze. Der Innenhof mit blühenden Bäumen, Ziersträuchern und Duftgräsern bildet einen sicheren Kinderspielplatz und persönlichen Freiraum für die Bewohner. Das Erdgeschoss mit den Abstellräumen, Parkplätzen und der Durchfahrt wurde aus KS- und/oder Betonwänden mit einem mineralischen WDVS errichtet. Die Brandwände sind aus Kalksandstein und auf der Seite zur Baulücke mit einem mineralischen WDVS und zum Nachbarhaus mit einem umlaufenden Kranz aus Steinwolle gedämmt. Zusätzlich zum Treppenraum wurde ein barrierefreier Personenaufzug eingebaut. Die Treppen und Treppenpodeste wurden in Stahlbeton realisiert. Bei den Treppen handelt es sich um oberflächenfertige Sichtbetontreppen. Aber es kommt auch im Treppenraum Holz zum Einsatz: Ein Handlauf und Belag auf den Treppenpodesten sind aus massiver Eiche. (Abb. 2) Als schwerentflammbarer Baustoff mit einer insgesamt vernachlässigbaren Brandlast wurde dies vom Brandschutz akzeptiert. Die Stahlbetondecken erhielten einen schwimmenden Zement-Heizestrich. Holz verschafft als geöltes Eichenmassivholz- Stabparkett mit einer Echtholzsockelleiste den Wohnbereichen eine warme Atmosphäre. Die Oberflächenstrukturen und Farben der Außenwandoberflächen wurden nach dem Farbkonzept der Architekten in Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde umgesetzt. Die Flächen zwischen dem Durchfahrtstor und der Eingangstür straßenseitig werden noch begrünt. Sämtliche sichtbare Flächen der massiven, tragenden Mauerwerks- und der Stahlbetonwände in den Wohnungen erhielten einen gefilzten Kalkputz. Die fertige Oberfläche der geputzten Wände des Treppenraumes und Foyers hat einen durchgefärbten Lehmputz mit feiner Oberflächenstruktur und einen Wandanstrich auf Silikatbasis.

Gut gemischt ist effektiv gebaut
Ab dem ersten Geschoss entstand eine Mischkonstruktion mit Betondecken, die seitlich auf den KS-Giebelwänden und im Gebäude auf Betonstützen lagern und auf der Straßen- und der Hofseite bilden nichttragende Holzrahmenbauelementen die hochdämmende Fassade (Abb. 3). Von den drei möglichen Formen der Lastabtragung für eine Holzbauhülle (vgl. Heft 1/2014) wurde die „eingestellte Lösung“ gewählt. Die Holzbauelemente stehen mit etwas mehr als der Hälfte ihrer Tiefe von 280 mm auf den StB-Decken, der Überstand nach außen beträgt ca. 120 mm. Die Bautoleranzen des Massivbaus können zwischen dem Rähm der geschosshohen Holzständerwerke und der Deckenunterkante ausgeglichen werden (Abb. 4). Außen dient eine 40 mm Holzfaserdämmung auf einer MDF-Platte als Putzträger. Die Position der Holzwände erlaubt es, die Stirnseiten der einbindenden Betondecken und KS-Wände mit 180 mm Dämmung zu versehen und somit weitgehend wärmebrückenfrei zu konstruieren (Abb. 5). Die Holzbaugefache und die innere Installationsebene konnten in Folge der geschossweisen Elementierung der Holzbauteile vor Ort mit Zellulosedämmung von innen ausgeblasen werden. Wo von innen KS-Wände etc. im Wege waren, wurden die Felder vom Holzbauer markiert und die Felder von außen eingeblasen. Die Stirnseiten der Decken erhielten aus Brandschutzgründen einen Putzträger aus Steinwolleplatten. Seine konstruktive Ausbildung (Vorsprung) dient farblich abgesetzt als Gestaltungselement der Fassade. Hierdurch wurden die Nutzungseinheiten brandschutztechnisch horizontal konsequent voneinander getrennt. Dies war im Bereich der vertikalen Anschlüsse der massiven Innenwände der Wohnungen nicht notwendig. Die Hohlräume konnten dort mit Zellulosedämmung ausgeblasen werden.

Auch das geht: Vorort- Montage der Holzelemente
Die verschiedenen Montagevarianten der Holzwände (vorgefertigte Elemente oder klassische „Field-factory“) wurden in der Planungsphase zwischen dem Planer und Holzbauer besprochen. Aufgrund der beengten Straßenverhältnisse, der Wetterunabhängigkeit etc. hatte man sich für die Vorort-Montage der Holzelemente entschieden. Eine Reduzierung des Holzanteils in Bereich der Außenwände wäre sicherlich möglich gewesen, spielt aber aufgrund der beidseitigen Überdämmung des Tragwerks eine untergeordnete Rolle.

Das Mansarddach
Die Konstruktion des Dachstuhls nimmt die historische Bauform des Wohnviertels mit einem straßenseitig 65° geneigten Mansarddach auf. Die Dachkonstruktion besteht aus einer klassischen Sparrenlage 8/28 (Abb. 6), die nach innen mit einem Hufer- Sparrenexpander SE 160 auf 400 mm Dämmdicke aufgedoppelt wurde. Der Sparrenexpander besteht aus einem Sperrholzsteg, eingeleimt in einen OSB-Gurt. Eine elegante Methode, auch im Neubau den Holzanteil zu reduzieren. Das Element erleichtert durch sein niedriges Gewicht zudem die Überkopf-Montage (Abb. 7). Die unregelmäßigen seitlichen Begrenzungen der Gefache durch die Stegträger lassen sich ohne besonderen Zuschnittaufwand im Einblasverfahren dämmen. Innen sorgt eine OSB-Platte für eine grundsolide Luftdichtheitsebene, die durch ihre moderate Dampfbremseigenschaft für einen diffusionstechnisch sicheren Konstruktionsaufbau mit ausreichend Trocknungsreserven gewährleistet (Abb. 8). Der äußere Dachaufbau besteht aus einer Schalung mit einer diffusionsoffenen Vordeckung und einer unterlüfteten Stehfalzeindeckung auf Holzschalung.

Die beste Energie ist die, die nicht benötigt wird
Das Gebäudekonzept setzt konsequent auf die Minimierung des Energiebedarfs und die Deckung desselben möglichst aus regenerativen Energiequellen. Dazu gehört natürlich eine hochwärmedämmende Außenhülle mit luftdichter Ausführung (vgl. Infokasten 1). Das Gebäude erfüllt mit großen Reserven den KFW-Standard Effizienzhaus 40. Aufgrund der hohen Deckung des Energiebedarfs mit regenerativen Energien beträgt der Endenergiebedarf des Gebäudes lediglich knapp 14 kWh/(m2*a), die CO2-Emmissionen liegen nur bei 9 kg/(m2*a)! Jede Wohnung erhielt eine geregelte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Installationsort ist das Duschbad. Küchenbereich, Badezimmer und Duschbad sind Ablufträume, Wohn- und Schlafzimmer sind Zulufträume, der Flur dient als Überströmbereich. Der Wärmebedarf des Gebäudes wird überwiegend über Solarenergie und Erdwärme gedeckt. Es wurde eine Solarthermieanlage mit über 15 m2 Fläche in die Mansarddachfläche zur Straßenseite des Dachgeschosses integriert. (Abb. 9) Den Restwärmebedarf deckt eine Sole-Erdwärmepumpe. Die Erdwärme wird über zwei Tiefenbohrungen bereitgestellt. Flur, Treppenhaus und der Verkehrsbereich im Hof sind mit energiesparender Beleuchtung und Bewegungssensoren ausgerüstet. Auf dem flach geneigten Teil der Dachfläche liefert eine PV Anlage (9,5 kWp) Solarstrom für Einspeisung und Eigenverbrauch, abgerechnet über den zentralen Hausstromzähler.

Der Knackpunkt: Brandschutz
Das Gebäude ist aufgrund der Höhe OKF des letzten genutzten Geschosses und der maximalen Fläche der Nutzungseinheiten nach der sächsischen Bauordnung in die Gebäudeklasse 5 eingestuft. Die tragenden Bauteile Stützen und Decken in Stahlbeton oder Kalksandstein sind feuerbeständig. Die beiden äußeren Brandwände wurden nachbarseitig öffnungslos 30 cm über Dach geführt und umlaufend wärmebrückenfrei gedämmt. (Abb. 10) Aus energetischen Gründen wurden diese Brandwände nicht bis zur Vorderkante Fassade geführt, sondern in diesem Bereich ebenfalls mit einer mineralischen Dämmung mit hohem Schmelzpunkt gedämmt, analog zu den Stahlbetondecken. Dasselbe Detail wurde bei den Treppenhauswänden im Dach realisiert, wobei hier die Dachschalungen durch ABaustoffplatten ersetzt wurden, und über Abweichungen mit Begründung abgesichert. Die bauaufsichtlichen Schutzziele gelten somit als erfüllt. Die nichttragenden Teile der Außenwand konnten als Holzrahmenbauelemente mit Zellulosedämmung und einer inneren Beplankung aus 15 mm OSB und einer äußeren Beplankung aus 15 mm MDFPlatten der Firma Egger ausgebildet werden, da hierfür ein F30-Nachweis vorlag. Diese Vorgehensweise brachte für die folgenden Beplankungen bezüglich deren Dicken, Montagen und Durchdringungen absolute Freiheit. So brauchten z.B. Steck- und Verteilerdosen in der Installationsebene brandschutztechnisch nicht geschottet werden. Tragen die inneren und äußeren Beplankungen zum Brandschutz bei, müssen die Ausführungen exakt dem Verwendbarkeitsnachweis entsprechen und Durchdringungen aufwändig geschottet werden. Das Dach wurde zwar mit der Feuerwiderstandsklasse F 30-B von innen errichtet, die klassische Ausführung mit Widerstandsfähigkeit gegen Strahlungshitze und Funkenflug (harte Bedachung, hier mit dem Stehfalzblech auf Schalung realisiert) hätte jedoch den Anforderungen der sächsischen Bauordnung schon alleine genügt. Sämtliche Leitungsanlagen und Schächte, welche die Decken und einige Wände des EG durchdringen, wurden mit Feuerschutzabschlüssen derselben Klassifizierung, i. d. Regel mit EI 90, geschottet.

Schallschutz: Einfach und wirksam
Die Erfüllung der Schallschutzanforderungen liegt bei den Betondecken mit schwimmendem Estrich im System. Mit einer dicken Trittschalldämmung mit geringster dynamischer Steifigkeit und einem dicken Nassestrich wird ein Normtrittschallpegel L´nwR von unter 45 dB erreicht. Die Treppenhauswände erreichen aufgrund ihres Flächengewichtes Luftschalldämm-Maße im Rahmen von Wohnungstrennwänden (R´wR größer 53 dB). Im Bereich innerhalb der Wohnungen bestehen nach DIN 4109 nur Empfehlungen. Aber die Massivwände erreichen dort natürlich dieselben Werte, wobei die sonst zum Einsatz gekommenen 150 mm dicken Metallständerwände (Abb. 11), die mit Zellulosedämmung ausgeblasen wurden (Abb. 12), und je Seite 2 Lagen 12,5 mm dicke GK-Massivbauplatten vergleichbare Werte aufweisen, so dass auch hier innerhalb der Wohnungen hohe Schallschutzwerte realisiert wurden. Bleibt zu hoffen, dass dieses Beispiel mit niedrigstem Energieverbrauch, hoher Ressourcenschonung und Behaglichkeit, dessen Erstellungskosten mit 3.100 € pro m2 sich im üblichen Rahmen innerstädtischer Bebauung bewegen, Nachahmer findet.

Von Jürgen Küllmer, Sachverständiger für baulichen Brandschutz (DGSV e.V.), Kassel