Wirtschaft in Sachsen - Winter 2020
Ich will nicht, dass jemand für umsonst arbeitet
Die Firma Pfennig Bau in Nordsachsen schafft es auch in den aktuell schwierigen Zeiten, Mitarbeiter zu gewinnen. Das hat viele Gründe.David Pfennig hat gut kontern: Als Minister Martin Dulig die Pfennig Bau GmbH in Oschatz kürzlich auf dessen Gute-Arbeit-Tour besucht, weiß der Geschäftsführer auf jede Frage, auf jede bestätigende Aussage eine überraschende, so nicht erwartete Antwort. Lobt ihn die Referentin aus dem Ministeriumsstab, bei solch einer Leidenschaft für den Beruf sei es ja offenbar ein Leichtes, auch in diesen Zeiten neue Mitarbeiter zu finden, antwortet er: „Für jetzt 51 Angestellte mussten wir knapp 80 Leute einstellen, die bleiben nicht alle automatisch bei uns. Zum Beispiel wenn jemand eine Freundin aus Eritrea hat, dann zieht er mit ihr lieber nach Frankfurt am Main.“ Fluktuation unter den Mitarbeitern gibt es also auch trotz leidenschaftlicher Berufsausübung. Erklärt der Minister, dass das Vergabegesetz geändert werden solle, um soziale und ökologische Standards hochzuschreiben, unterstützt ihn Pfennig: „Das klingt gut.“ Um zu ergänzen. „Die Frage ist nur, wie es umzusetzen ist.“ Auch Arbeitsschutz müsse „wirtschaftlich darstellbar sein.“ Wer jetzt denkt, David Pfennig sei einer dieser Klischee-Geschäftsführer, die bei jeder geplanten Veränderung, die nicht ausschließlich die Gewinnmaximierung in den Mittelpunkt stellt, den wirtschaftlichen Untergang des Abendlandes prophezeien, der irrt. Mindestlohn? „Da bin ich ein absoluter Befürworter!“ Allerdings sollte der so gestaffelt sein, durchaus auch nach unten, dass ein Unterschied zwischen Bauhilfstätigkeiten und qualifizierten Arbeiten auch noch erkennbar sei. Klimaschutz? Seit 2018 stellt die Photovoltaikanlage auf dem Dach des Firmensitzes und ein Energiespeicher 63 Prozent des Energiebedarfs von Pfennig Bau sicher – im Sommer erzeugt die Firma drei Monate lang nahezu 100 Prozent der Stromversorgung selbst.
EIgene Aus- und Weiterbildung
Arbeitsschutz? Ein Mitarbeiter meldet sich beim Ministerbesuch zu diesem Thema zu Wort und sagt: „Ich denke, wenn man für etwas brennt, dann passieren die wenigsten Arbeitsunfälle.“ Doch David Pfennig wehrt ab: „Ich glaube nicht, dass wir vorbildhaft mit Arbeitsschutz umgehen, sondern wir versuchen zu machen, was möglich ist. Aber es ist geradezu unmöglich, alle Vorschriften einzuhalten.“ Die erste Corona-Welle habe ihn extrem belastet, trotz eigens angeschaffter Belüftungsanlage, drei zusätzlich gekauften Fahrzeugen, um die Schichten zu trennen, mehr sei nicht möglich – aber ob es reiche? Vor allem sein engagiertes und zuverlässiges Team lasse ihn hoffen, sowohl die Mitarbeiter zu schützen, als auch die zweite Welle wirtschaftlich gut zu überstehen
Denn dass sowohl David Pfennig als auch seine Mitarbeiter für das brennen, was sie tun und dass sie es unglaublich gern tun, zeigt sich noch im kleinsten Detail, in spontanen Äußerungen.
Schon als Kind war David Pfennig fasziniert vom Beruf seines Vaters, der zu DDR-Zeiten mit Gleichgesinnten Kirchen sanierte und so vor dem Verfall bewahrte und nach der Wende Restaurator und Denkmalpfleger wurde. Auch Pfennig ju- D nior spezialisierte sich in diese Richtung. 2004 gründete er die Pfennig Bau GmbH als Einzelunternehmen. Noch im selben Jahr stellte er zwei Mitarbeiter ein, im Jahr darauf der erste Lehrling im Betrieb. Seitdem bildet Pfennig Bau regelmäßig aus. Auch die eigene Aus- und Weiterbildung ist dem Chef wichtig, er ist Gebäudeenergieberater, stellt sich und seine Firma immer wieder neuen Herausforderungen: 2006 folgt die Spezialisierung auf Einblasdämmung, eine effiziente und kostengünstige Wärmedämmung, der Betrieb ist Isofloc-zertifiziert. Etwa 2 400 Häuser hat Pfennig Bau seitdem gedämmt. Oder das Bauen mit Lehm, „der ist baubiologisch einwandfrei“, schwärmt Pfennig, „relativ wenig Betriebe in unserer Größenordnung bieten das an. Und es ist wirtschaftlich darstellbar.“ Als er das Wohnhaus für seine Familie umbaute, vertiefte er sein Wissen um biologische Bauund Dämmstoffe ganz praktisch. Später baute er den früheren Pferdestall gleich nebenan zum Büro um und sanierte es als Passivhaus, ohne Heizung. Seitdem gehören Passivhäuser ebenfalls zum Portfolio wie Altbausanierung und Denkmalpflege.
2011 dann ein weiterer großer Schritt: Die alte Filzfabrik in Oschatz, zum Glück ganz in der Nähe des Firmensitzes, bot dringend benötigte Lagerflächen, für die Baufirma wie für das zweite Standbein: Alles, was Pfennig Bau verarbeitet, vertreibt die Baunativ GmbH, ein Fachhandel und Onlineshop für hochwertige und nachhaltige Bau- und Dämmstoffe, die Pfennig bereits 2006 gründete und seit 2012 unter diesem Namen firmiert. Bis zu 18.000 Pakete verlassen wöchentlich das Geschäft in alle Himmelsrichtungen Europas und sogar darüber hinaus.
Wer so wächst, der braucht Arbeitskräfte, und zwar solche auf die er sich verlassen kann. Vom Lageristen bis zum Baubiologen. Und wer die Branche kennt, der weiß, dass sie Händeringend Leute sucht. David Pfennig ist vor allem offen gegenüber denjenigen, die bei ihm arbeiten wollen. Ihm ist wichtig, dass die gleich erfahren, worauf es bei ihm ankommt. „Wer mal als Schüler bei uns ein Praktikum gemacht hat, der weiß, dass drei- Viertel sechs vom Hof gefahren wird und nicht später.“ Wer damit nicht klar kommt, muss sich gar nicht erst bei ihm bewerben. Aber genauso wichtig ist es dem Geschäftsführer, dass niemand in seiner Firma ohne Geld arbeitet. Auch Schülerpraktikanten bekommen einen kleinen Obolus – eine Praxis, die für die Ohren einiger großen Unternehmer übrigens völlig unverständlich ist. Noch. Denn auch bei denen ist der Fachkräftemangel, die oft geradezu verzweifelte Suche nach geeigneten Azubis angekommen; dass bezahlte Schülerpraktika ein Mittel dagegen sein könnten, hat sich noch längst nicht überall herumgesprochen.
Maskottchen am Start
Bei Pfennig Bau muss niemand länger auf Montage. Baustellen, die zu weit entfernt liegen, werden nicht angenommen. Einzig für die Einblasdämmung müssen die Mitarbeiter in Ausnahmefällen auswärts übernachten – maximal zwei Nächte pro Monat. Für viele der Mitarbeiter ein wichtiger Grund, eben nicht regelmäßig pendeln zu müssen und Heimat und Familie länger nicht zu sehen. Aus acht Nationen stammen seine 51 Angestellten. „Mit den Mitarbeitern mit Migrationshintergrund haben wir dieselben Erfahrungen gemacht wie mit denen aus Deutschland“, sagt Pfennig. „Mit manchen klappt’s, mit anderen nicht.“ Er ist überzeugt, dass man Deutsch am besten am Arbeitsplatz lernt, und die Erfahrung gibt ihm recht. Pfennig bietet seinen Leuten Weiterbildungen, Betriebsausflüge, faire Bezahlung, interessante Arbeitsmöglichkeiten. Nicht zu vergessen: Feiern. Anlässe dafür bieten Firmen-. Gründungs- oder Gebäudejubiläen.
Oder die zahlreichenAuszeichnungen, mit denen sich der Betrieb mittlerweile schmücken kann. 2019 zum 15-jährigen Betriebsjubiläum kamen über 1 000 Besucher. Die bekamen unter anderem einen Weltrekord zu sehen: den höchsten Turm aus Dämmstoffsäcken mit einer notariell beglaubigten Höhe von 11,90 Metern, den die Mitarbeiter bauten. Sogar ein eigenes Stofftier-Maskottchen hat Pfennig Bau seit zwei Jahren. Zwei seiner drei Kinder haben bereits mehrmals in den Ferien mit im Betrieb gearbeitet. Während des ersten Lockdowns haben sie ein Fachwerkgartenhäuschen alleine mit Lehm verputzt, „beide können schon in Grundkentnissen mit der Kelle umgehen“, berichtet der Vater stolz.
Und Nachwuchssorgen? Eher nicht. „Die größte Herausforderung bei allen ist doch, die Leute immer wieder zu motivieren.“ Pfennig scheint das gut zu gelingen.
Von Katja Solbrig