Pfennig Bau
Oschatzer Allgemeine - 08. November 2023

Eine Chance für Menschen, die andere längst aufgegeben haben

Langzeitarbeitslose, Flüchtlinge, Menschen mit Handicap: Bei Pfennig Bau in Oschatz bekommen diese Menschen eine berufliche Perspektive. Hier erzählen sie von ihrem neuen Leben.

Von Kristin Enegel
Oschatz. Gerade aus dem Gefängnis und nun auf der Suche nach einem Beruf? Ein Langzeitarbeitsloser, den viele bereits abgeschrieben haben. Ein Geflüchteter, der die deutsche Sprache nicht kennt. Ein Mensch mit Handicap, der eine Aufgabe sucht.

Oft haben es die unterschiedlichsten Menschen durch unterschiedliche Gründe schwer, ein normales Leben zu führen. Es gibt kaum jemanden, der ihnen eine Chance gibt, noch einmal von vorn anzufangen. Doch in der Pfennig- Gruppe in Oschatz findet man diese unterschiedlichen Menschen mit den unterschiedlichsten Geschichten.

Sebastian Kirsten
„Ich bin seit dem 1. Oktober 2018 bei Baunativ. Am Anfang durfte ich in die Arbeit reinschnuppern, dann wurde ich fest ins Team aufgenommen“, sagt Sebastian Kirsten aus Neuböhla. Hier kann er Aufträge heraussuchen und verpacken. Eine Arbeit, die ihm Freude bereitet. Zuvor hat er in der Küche der Lebenshilfe gearbeitet. Doch das hat den 40-Jährigen, der an einer Behinderung leidet, nicht erfüllt. Nach wie vor ist er bei der Lebenshilfe angestellt, kann aber seine Talente nun in dem Außenarbeitsplatz auf dem Gelände der alten Filzfabrik zeigen. „Ich hoffe, dass ich hier bis zur Rente arbeiten kann. Ich werde hier genauso behandelt, wie jeder andere und das Arbeitsklima ist sehr gut.“

Cedric Brice
Während sich Sebastian Kirsten zurück an die Arbeit macht und den Hanf als Dämmmaterial verpackt, befindet sich Cedric Brice mitten in einer hausinternen Weiterbildung. Der 25-Jährige kommt ursprünglich aus Kamerun. Nach seiner Ankunft in Deutschland wurde er von David Pfennig aufgenommen. Sogar seine Schwester konnte mit der Unterstützung nach Deutschland reisen und hat hier eine feste Anstellung. Cedric Brice ist Maurer. Das liegt ihm im Blut, denn schon sein Großvater hatte diesen Beruf ausgeübt. Nach einem Jahr Praktikum befindet er sich im dritten Jahr seiner Ausbildung bei Pfennig Bau zum Maurer. Und das mit großem Talent. Sein Wunsch ist es, für sich eine eigene Wohnung komplett zu sanieren.

„Die Menschen hier sind sehr offen. Ich liebe, was ich lerne. Der Maurerberuf ist sehr spannend. Im Juli ist meine Ausbildung abgeschlossen. Ich hoffe, dass ich dann hier eine Festanstellung bekomme“, sagt der junge Mann. Dem steht David Pfennig sehr offen gegenüber, denn Cedric Brice hat sich als fähiger Mitarbeiter bewiesen.

Stephan de Bona
Die Sprachbarriere war zu Beginn ein Thema. Sprachkurse fanden meist nur am Tag statt, was in einer Berufstätigkeit nicht umzusetzen war. Daher half sich die Firma selbst und stellte einen Deutschkurs auf die Beine. So konnten die Angestellten ihren Beruf nachgehen und jeden Donnerstag nach der Arbeit die Sprache lernen.

Hier hatte ein Schweizer die Fäden in der Hand. „Unsere Mitarbeiter hätten zum Teil bis nach Leipzig fahren müssen. Dann kam auch Corona. Hier in der Firma hatten wir die Möglichkeit, den Kurs auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen ganz individuell anzupassen“, sagt der 63-jährige Stephan De Bona.

Der Schweizer ist hier nicht nur Lehrer für Migranten, sondern bringt selbst seine ganz eigene Geschichte mit. Ursprünglich kommt er aus Zürich und ist familienbedingt in der Lüneburger Heide zuhause. In Oschatz bewohnt er ein Zimmer, um bei Pfennig Bau als Baubiologe, Fachberater, Buchhalter, Produktentwickler und mehr zu arbeiten.

Axel Fleischer und Thomas Gelhardt
Weitere Chancengeber der Firma sind der 61-jährige Axel Fleischer aus Canitz und der 49-jährige Thomas Gelhardt aus Liebschützberg. Beide fokussieren sich bei ihrer Arbeit auf die Leute, für die es schwer ist, eine Chance zu finden. „Wir machen das seit etwa acht Jahren. Wir vermitteln ihnen nicht nur die praktischen Tätigkeiten, sondern auch das soziale Standbein und die Sprache“, sagt der Liebschützberger.

Menschen aus acht verschiedenen Nationen sind in der Firma anzutreffen. „Der Vorteil ist die kulturelle Bildung, die wir selber erfahren. Sie berichten uns, was sie alles durchgemacht haben, bevor sie nach Deutschland kamen. Natürlich muss man Sachen auch mal öfter erklären, wenn diese nicht gleich verstanden wurden. Es ist toll, zu sehen, wie sie sich zu selbstständigen Fachkräften entwickeln. Auch die Kunden geben sehr positives Feedback“, so der Canitzer.

Pierre Klett
Seine Chance nutzen möchte auch der 19-jährige Pierre Klett. Der Oschatzer hatte keinen einfachen Start im Leben. Das Lernen bereitete ihm Schwierigkeiten, was dazu führte, dass er die achte Klasse nicht abschloss. Doch er schaffte es, seinen Hauptschulabschluss zu meistern. Was ihm an theoretischem Wissen fehlt, macht er mit praktischem Know-how wieder wett. „Ich bin froh, dass ich hier arbeiten kann. Man sieht, was man geschafft hat“, so der Oschatzer. Sein Ziel: Die Ausbildung zum Hochbaufacharbeiter meistern.

Steffen Wild
Eine ganz andere Geschichte kann der 48-jährige Steffen Wild berichten. Als Langzeitarbeitsloser wollte ihn niemand einstellen. Der Mügelner ist mithilfe einer EU-Förderung des Arbeitsamtes zu Pfennig Bau gekommen. Das Programm lief drei Jahre. Danach hat David Pfennig ihn übernommen. „Ich habe nach meiner Schule den Beruf des Maurers gelernt. Doch dann nur hier und da mal gearbeitet, da ich nicht mobil war. Durch den Beruf hatte ich schnell neue Möglichkeiten. Ich bin froh, dass ich diese Chance bekommen habe“, so Wild.

David Pfennig ist stolz auf sein großes professionelles Team, welches so engagiert und verständnisvoll Menschen motiviert und ausbildet.

Kommentar: Ein echter Chancengeber

Wenn Menschen schon eine ganze Reihe an Fehlschlägen hinter sich haben, Fehler in der Vergangenheit begangen haben oder die Gesellschaft sie bereits abgestempelt hat, ist es für viele Menschen nicht leicht, sich aus eigener Kraft aus diesem Kreislauf zu befreien. Denn wenn niemand an sie glaubt, verlieren sie schnell den Glauben an sich selbst. Es ist beeindruckend, dass es eine Firma wie Pfennig Bau gibt, die den Menschen unvoreingenommen gegenübertritt. Egal, was sie für Päckchen mitbringen.

Natürlich geht die Rechnung nicht immer auf. Und natürlich gibt es auch Kandidaten, die die gebotene Chance nicht ergreifen. Doch für andere ist die gereichte Chance der Funken Hoffnung, den sie benötigen, um wieder einen Platz im Leben zu finden. Eine Aufgabe, die es ihnen ermöglicht, auf eigenen Beinen zu stehen und in einer Gemeinschaft zu sein. Einer Gemeinschaft, in der sie nicht nach dem bewertet werden, was sie in der Vergangenheit getan haben, sondern was sie in der Gegenwart leisten können. Und so zeigen sich Talente, die sich der/die eine oder andere vielleicht nie zugetraut hätte. Das macht Pfennig Bau zu einem echten Chancengeber.
Bildunterschrift:
Menschen, die ihre Chance ergriffen haben, und die, die sie ermöglicht haben: (von links oben im Uhrzeigersinn) Sebastian Kirsten, Cedric Brice, Stephan de Bona, Steffen Wild, Pierre Klett sowie Axel Fleischer und Thomas Gelhardt.

Foto: Kristin Engel

Der grüne, realitätsfremde Weltverbesserer

So bezeichnet sich Chef David Pfennig gerne selbst. Er versucht, mit jeder Tat in die Zukunft zu blicken.

Von Kristin Enegel
Oschatz. „Angefangen habe ich als Ich-AG, doch beim ‚ich‘ ist es nicht geblieben. 2004 habe ich mich mit ‚Pfennig Bau‘ selbstständig gemacht“, erinnert sich David Pfennig. Er sollte einen abwechslungsreichen Weg vor sich haben und das, ohne jemals aus Oschatz wegzugehen. „Ich habe es niemals übers Herz gebracht, Oschatz zu verlassen. Ich bin sehr heimatverbunden“, sagt der 45- Jährige. Nach seinem Schulabschluss erlernte er den Beruf des Maurers, in dem er im Anschluss auch zwei Jahre arbeitete, bevor er seinen Meister absolvierte. Und nicht nur das. Er machte diverse Weiterbildungen – zum Betriebswirt, Gebäudeenergieberater und sogar eine Coachingausbildung.

Als der Oschatzer 2004 Pfennig Bau gründete, startete er im ersten Jahr mit einem Auszubildenden und einem Festangestellten. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen Pfennig Bau in Oschatz 35 Leute. Mit seinem Team erhielt er in den vergangenen Jahren mit Pfennig Bau zwei Mal den Denkmalpflegepreis. Damit nicht genug. Denn es sollte weitergehen.

„Wir haben festgestellt, dass es Produkte, die wir zum Bauen brauchten, nicht regional gab. Das wollten wir ändern und aus dieser Idee entstand 2008 die Firma Baunativ – mit mittlerweile rund 25 Angestellten –, um hier hochwertige Bau und Dämmstoffe zu verkaufen. Ursprünglich verkauften wir mit Baunativ das, was Pfennig Bau übrig hat. Mittlerweile verbaut Pfennig Bau das, was Baunativ übrig hat“, fasst David Pfennig die Veränderung in der Firmenphilosophie einfach zusammen. Als Beispiel nennt er Hanf als Dämmmaterial, den er als sehr robust beschreibt, eine Kultur, die auf dem Feld wächst und keine Zusatzstoffe benötigt. Nun muss er nur noch regional angebaut werden.

Nach Angaben des Unternehmens werden wöchentlich von den unterschiedlichsten Materialien knapp 1000 Pakete verschickt sowie 200 Paletten pro Woche. Zahlreiche Kunden aus naher und deutlich größerer Entfernung nutzen den Abhol- und Beratungsservice vor Ort. Verkauft werden laut Pfennig Lehm, Naturfarben, Baustoffe, die man nicht an jeder Ecke bekommt. „Wir haben in unserer Firmengruppe ein Kultur- und Werteteam gegründet. Damit können sich alle Mitarbeiter in die Unternehmensentwicklung und die Ziele einbringen. Gemeinsam wurde die Vision der Firma festgelegt. Das Ziel der ‚Pfennig-Gruppe‘ ist es, gesundes und nachhaltiges Bauen in jedes Haus zu bringen.“

Und was macht der Oschatzer, wenn er nicht mit den Gedanken voll und ganz bei der Arbeit ist? David Pfennig ist verheiratet und hat drei Kinder. Zudem ist er seit 2003 für die Grünen im Stadtrat der Großen Kreisstadt Oschatz. „Ich habe das von meinem Vater erlebt, der auch im Stadtrat war. Ich bin jemand, der nicht lange überlegt, sondern gerne lieber handelt“, sagt der 45-Jährige. Zudem sitzt er seit 2003 – mit einer kurzen Unterbrechung – im Kreistag. Als „Grüner realitätsfremder Weltverbesserer“ redet er gern von sich selbst und hat dabei ein Lächeln im Gesicht.

Viele weitere Projekte hat er mit angeschoben oder unterstützt. So ist er zum Beispiel im Soziokulturellen Zentrum E-Werk von Anfang an mit dabei. Er unterstützt verschiedene andere Vereine und Initiativen in der Region. „Auch als Firmengruppe unterstützen wir gerne Projekte“, berichtet er. So halfen die Teams von Pfennig Bau und Baunativ auch bei der Tafel Oschatz und packten bei der Dämmung der Kleiderkammer mit an. Viele Projekte hat David Pfennig bereits umgesetzt und er ist sich sicher, dass viele weitere spannende Projekte folgen werden.
Bildunterschrift:
David Pfennig hat das gleichnamige Oschatzer Bauunternehmen 2004 gegründet.

Foto: Kristin Engel